Freiburg. Rund 180 Menschen mit körperlicher und geistiger Behinderung finden Beschäftigung in den Caritaswerkstätten St. Georg im Gewerbegebiet Haid in Freiburg. Vor vier Jahren, als das neue Gebäude fertig wurde, zog zusammen mit der Werkstätte des Caritasverbandes und ihren vielfältigen Arbeitsbereichen auch die gewerbliche Druckerei Kesselring mit ins neue Haus ein. Diese ungewöhnliche Hausgemeinschaft von Werkstätte und Gewerbebetrieb unter einem Dach war die Voraussetzung für eine Inklusionsfläche, auf der Menschen mit und ohne Behinderung kontinuierlich miteinander arbeiten – ein Pionierprojekt.
Neue Wertschätzung im inklusiven Arbeitsbetrieb
„Menschen mit Behinderung auf den allgemeinen Arbeitsmarkt zu bringen“, darum gehe es, betont Markus Guggenmoser, Leiter der Werkstätte auf der Haid. Die Inklusionsfläche bietet für zwölf von ihnen die Chance dazu. Es ist eine „Trainingsfläche“ fürs Arbeitsleben, sagt Thomas Reibel, der Geschäftsführer der Druckerei Kesselring. Einer von den zwölfen ist Sepand Jahandideh, seit einem Jahr ist er mit dabei. An seiner Maschine werden Druckerzeugnisse gefalzt und gebündelt. Die Bündel, die vom Band laufen, kann er greifen und sein Kollege neben ihm packt sie in einen Karton. Als Rollstuhlfahrer mit schweren spastischen Lähmungen ist dieser Griff eine Herausforderung, denn die Maschine bleibt bei ihrem eigenen Arbeitstakt. Mit dem, was er dabei leistet, fühlt sich der 25-Jährige auf eine neue Art geschätzt und anerkannt.
Das gilt auch für die Menschen ohne Behinderung. Die Erfahrung, dass „Behinderung kein Handicap sein muss“, machte auch Andreas Leuwer, als er vor einem Jahr seinen Arbeitsplatz wechselte, um bei Kesselring als Maschinenführer auf der Inklusionsfläche einzusteigen. Auch er erlebt seinen neuen Arbeitsplatz als große Bereicherung, denn er bekommt menschlich „viel mehr zurück“ als an seinem alten Arbeitsplatz.
Die Kooperation im gemeinsamen Haus – Pionierarbeit für Caritas und Kesselring
Zu sehen „ich hab’s drauf, ich kann was“, sei ganz wichtig in jedem Arbeitsleben, betont Guggenmoser, besonders aber bei Menschen mit Behinderung. Dies zu ermöglichen war auch der Wunsch der Firma Kesselring. Thomas Reibel und sein Unternehmen arbeiten seit mehr als 20 Jahren eng mit der Caritas-Werkstätte St. Georg und ihrer eigenen Digitaldruckerei zusammen. Für den Unternehmer war es eine Herzensangelegenheit, die Inklusion noch konsequenter umzusetzen und so verlagerte er seine ganze Firma von Emmendingen nach Freiburg-Haid. Wie so eine Inklusionsfläche einzurichten sei, war aber auch für ihn Neuland: „Es gab keine Vorbilder, als wir anfingen, dafür zu planen“. Vorbilder dafür, wie etwa Maschinen umgebaut und angepasst werden müssen, damit Menschen mit Behinderung damit klar kommen oder wie die Arbeitsabläufe einzurichten seien. Zu zeigen, dass Menschen mit Behinderung einen wirtschaftlichen Betrieb möglich machen, ist dabei von ganz zentraler Bedeutung, denn nur so haben sie eine Chance am ersten Arbeitsmarkt. „Jeder bringt dafür sein Knowhow mit, wir das technische, die Caritas das soziale“. Was Reibel und seine Druckerei zusammen mit der Caritas schon erreicht haben, ist viel, doch es soll weitergehen, denn gemeinsam arbeiten sie an einem Leitfaden, um das Projekt Inklusion weiterzuentwickeln.
Die neue Stelle – mehr Unabhängigkeit durch Inklusion
Natascha Ehrat hat es geschafft. Sie ist im ersten Arbeitsmarkt angekommen. Nach vier Jahren im Inklusionsbereich konnte sie auf eine Stelle bei Kesselring wechseln. Die neu gewonnene finanzielle Freiheit mit dem Regellohn bedeutet aber auch, dass sie nun selbst verantwortlich für ihre Lebenshaltung inklusive Miete ist. Die 39-Jährige genießt ihre neue Freiheit und sie freut sich darauf, im Sommer zusammen mit ihrem Mann Urlaub in Italien zu machen, eine Kreuzfahrt im Mittelmeer, selbst gebucht, zum ersten Mal.
Redaktion und Fotos:
Stephan Elsemann