Hundert Jahre Dienst am Menschen

Mit rund 3.000 Menschen feierte der Caritasverband Freiburg-Stadt e. V. am 1. Oktober 2025 sein hundertjähriges Jubiläum. Der Festakt auf dem Freiburger Münsterplatz mit einem feierlichen, inklusiv gestalteten Gottesdienst und einem umfangreichen Rahmenprogramm zeigte eindrücklich, wofür Caritas steht: im Mittelpunkt der Mensch und an seinen Bedürfnissen ausgerichtet die wertebasierte Dienstgemeinschaft der Dienste und Einrichtungen.

Auf ein ganzes Jahrhundert Geschichte kann der Caritasverband Freiburg-Stadt e. V. zurückblicken – wahrlich ein Grund zum Feiern. Und wie gefeiert wurde am Mittwoch, den 1. Oktober 2025! Rund 3.000 Menschen nahmen am Festakt im Herzen der Stadt, am Freiburger Münster, teil: Beschäftigte, Ehrenamtliche und Ehemalige des Caritasverbandes Freiburg-Stadt, Menschen, die in den Einrichtungen und Diensten Unterstützung finden, An- und Zugehörige, Mitglieder des Aufsichtsrates und ein weiter Kreis von Personen aus Politik, Verwaltung und Stadtgesellschaft, partnerschaftlich verbundenen Caritasverbänden, Religionsgemeinschaften und Stiftungen, Wohlfahrtsverbänden und Bildungseinrichtungen.

Für all diejenigen, die nicht mobil genug sind, um den Festakt besuchen zu können, wurde in sämtlichen Einrichtungen des Caritasverbandes Freiburg-Stadt, auf der Webseite und auf den Social-Media-Kanälen ein Live-Stream übertragen – ganz im Sinne des christlichen Menschenbildes, dass alle willkommen sind und alle teilhaben können.

Auf dem Münsterplatz begrüßte die inklusive Band TonRaum das Publikum. Das Bandprojekt ist ein musikalischer Begegnungsort für Menschen mit und ohne Behinderung, die Spaß am gemeinsamen Musizieren haben. Das abwechslungsreiche Repertoire aus Eigenkompositionen war mitreißend, lud zum Tanzen ein und erntete großen Applaus.

Der Mensch steht im Mittelpunkt

Im vollbesetzten Münster folgte mit dem Gottesdienst einer der vielen Höhepunkte des Festaktes. Das Organisations-Team sorgte mit viel Engagement dafür, dass alle ihre Sitzplätze fanden. Doch so gewaltig das Münster auch ist: Selbst mit den zusätzlich aufgestellten Stühlen hätte es niemals für die vielen Gäste gereicht. Daher wurde der Gottesdienst auf Großleinwände neben der Bühne übertragen, damit alle Besucherinnen und Besucher ihn verfolgen konnten.

Weihbischof Christian Würz begrüßte die Gemeinde im Münster, auf dem Münsterplatz und an den Bildschirmen in den Einrichtungen ganz herzlich: „Es ist ein ganz besonderer Geburtstag. In diesen 100 Jahren hat der Verband viel Gutes getan und vielen Menschen geholfen.“ Die gesamte Rede des Weihbischofs war in Einfacher Sprache gehalten, was auch später auf dem Münsterplatz in Gesprächen sehr positiv vermerkt wurde.

In der Predigt bezog sich Weihbischof Würz auf das Heilige Evangelium nach Matthäus, als die Jünger Jesus fragten: „Wer ist im Himmelreich der Größte?“ Und Jesus rief ein Kind und stellte es in die Mitte. „Wer sich so klein macht wie dieses Kind, der ist im Himmelreich der Größte. Und wer ein solches Kind in meinem Namen aufnimmt, der nimmt mich auf.“

In einer Stadt sei das Wichtigste oft in der Mitte, hier in Freiburg stehe das Münster genau in der Mitte der Stadt, erklärte der Weihbischof. Deshalb sei es genau richtig, dass der Caritasverband Freiburg-Stadt hier seinen 100. Geburtstag feiere. „Was alle unsere Dienste und Einrichtungen verbindet: Der Mensch steht im Mittelpunkt.“ Der Caritasverband sei nicht für sich selbst da, sondern immer für andere Menschen. „Und alles, was die Caritas tut, tut sie menschlich, begleitend, beherzt, mutig und zugewandt.“ Diese Begriffe, die dem Handeln des Caritasverbandes seine innere Haltung geben, sollten im Lauf des Tages noch eine wichtige Rolle spielen.

Musikalisch begleitet wurde der Gottesdienst von Jörg Schwab an der Orgel und Mareike Lauer am Gesang. Nach der Predigt folgte ein beeindruckendes Instrumentalstück von Orgel und Sopransaxophon, eine ungewöhnliche Kombination, brillant performt von Mike Schweizer. Für Fürbitten und Dank kamen Anvertraute aus allen vier Fachbereichen, ein Vertreter aus der Mitarbeiterschaft und Mitglieder des Aufsichtsrates zum Altar. Gemeinsam war ihnen der Dank für das Engagement der vielen beim Caritasverband Freiburg-Stadt Beschäftigten und die Bitte um Hilfe für alle Menschen, die in Not sind. Zum Vaterunser durften die Kinder aus den Kindertagesstätten des Caritasverbandes zum Altar kommen und gemeinsam mit Weihbischof Würz beten. „Wir wollen in das Gebet den Dank für die vergangenen 100 Jahre mit hineinnehmen.“

Eine wertebasierte, fachlich innovative und fast immer gutgelaunte Dienstgemeinschaft

Die Ansprache des Vorstandsvorsitzenden Rainer Gantert würdigte umfassend all diejenigen, die den Caritasverband Freiburg-Stadt in den vergangenen 100 Jahren unterstützt haben und weiterhin unterstützen: „Entstanden aus dem ehrenamtlichen Engagement in den Freiburger Pfarreien, den Ideen Lorenz Werthmanns folgend, das christliche Menschenbild vor Augen: so erfüllen wir unseren Dienst am Mitmenschen.“

Viele der Anwesenden begrüßte Rainer Gantert persönlich und namentlich, all die Wegbegleiterinnen und Wegbegleiter sowie die Mitarbeitenden „einer wertebasierten, fachlich innovativen und – fast immer! – gutgelaunten Dienstgemeinschaft“, die Vorstände, Geschäftsführenden und Mitglieder des Aufsichtsrates. Eine besondere Würdigung sprach der Vorstandsvorsitzende den bereits verstorbenen Ehrenmitgliedern, den Dompfarrern Wolfang Gaber, Erich Wittner und Gerhard Heck aus. Zu Ehren von Dompfarrer Erich Wittner, der insgesamt 35 Jahre lang als Mitglied des Aufsichtsrates, als dessen Vorsitzender und schließlich als Ehrenmitglied des Aufsichtsrates wirkte, trägt das Verwaltungsgebäude in der Herrenstraße nun den Namen „Dompfarrer-Erich-Wittner-Haus“.

Eine Vielzahl von Verantwortlichen aus Politik und Verwaltung in den Kommunen und Städten der Region war gekommen, auch Vertreterinnen und Vertreter des Bundestages und aus dem nahen Elsass waren angereist, um gemeinsam den Festakt zu begehen. An dieser Stelle dankte Gantert der früheren Landrätin des Landkreises Breisgau-Hochschwarzwald, Dorothea Störr-Ritter, die leider nicht anwesend sein konnte: „Zugewandt und mit großer Empathie hat sie unseren Verband in der schwierigsten Phase seiner jüngeren Geschichte unterstützt. Als 2012 durch das Brandunglück in unserer Werkstätte für Menschen mit geistiger Behinderung in Neustadt im Schwarzwald 14 Kolleginnen und Kollegen ihr Leben verloren, hat das Schlimmste auch das Beste in den Menschen hervorgebracht.“

Eine Welle der Hilfsbereitschaft und Sympathie im Hochschwarzwald und der ganzen Region habe den Betroffenen Trost gespendet und sie getragen, das Solidarnetz der 80 Einrichtungen des Caritasverbandes Freiburg-Stadt sei noch enger zueinander gerückt.

Auch die in langjähriger Zusammenarbeit verbundenen Institutionen, Verbände, Einrichtungen und Ordensgemeinschaften der Kirchen begrüßte der Vorstandsvorsitzende: „Darüber hinaus ist ein gutes Dutzend weiterer Caritasverbände heute hier durch ihre Vorstände oder Geschäftsführungen vertreten. Der vertrauensvolle Erfahrungsaustausch mit Euch allen ist überaus wertvoll!“ Hinzu kommt die Kooperation mit den Wohlfahrtsverbänden und dem Studierendenwerk, mit Schulen und Hochschulen sowie mit Unternehmen aus der ganzen Region.

Einen besonderen Gruß richtete Rainer Gantert an die Israelitische Gemeinde kurz vor Beginn des jüdischen Feiertages Jom Kippur: „Wenn wir heute auf die 100 zurückliegenden Jahre blicken, dann auf keinen Fall, ohne Sie unserer ganzen Solidarität zu versichern! Ohne jüdisches Leben wären unsere Stadt, unsere Region und unser Land schmerzhaft unvollständig.“

Zum Abschluss seiner Rede zeigte der Vorstandsvorsitzende sich zuversichtlich, dass der Caritasverband Freiburg-Stadt auch 200 Jahre alt werden könne: „Ich wünsche mir, dass im Jahre 2125 sich wieder Menschen hier in unserem Münster versammeln, um dann auf 180 Jahre Frieden, Freiheit und soziale Gerechtigkeit zurückblicken zu können.“

Freiburg ist und bleibt Caritas-Stadt

Oberbürgermeister Martin Horn gratulierte dem Caritasverband Freiburg-Stadt in seinem Grußwort ganz herzlich und dankte den über 2.000 Mitarbeitenden für ihren täglichen Einsatz: „Dieses Engagement kann man gar nicht hoch genug bewerten.“ Eine besondere Würdigung sprach OB Horn an Gertrud Luckner aus, die viele Jahre lang für die Caritas arbeitete. Sie war eine christliche Widerstandskämpferin im Nationalsozialismus, half Jüdinnen und Juden, versteckte sie und organisierte Fluchtmöglichkeiten. Trotz Unterstützung durch den Freiburger Erzbischof Conrad Gröber wurde sie denunziert und kam ins Konzentrationslager Ravensbrück.

Doch es gelang ihr zu überleben und nach dem Krieg leitete Gertrud Luckner die Verfolgtenfürsorge der Caritas in Freiburg. Sie ist Ehrenbürgerin der Stadt und vom Staat Israel als „Gerechte unter den Völkern“ gewürdigt. „Gertrud Luckner stand für so vieles, was die Caritas auszeichnet“, betonte Martin Horn. „Umso dankbarer sollten wir den Menschen sein, die nach diesem Menschenbild heute leben, arbeiten und handeln.“

Gerade in einer Zeit, in der faschistische, menschenfeindliche Gruppierungen an Macht gewinnen, sei diese Botschaft so wichtig. „Freiburg ist und bleibt Caritas-Stadt“, schloss der Oberbürgermeister seine Rede. „Herzlichen Dank für diese wichtige Arbeit und für die christliche Nächstenliebe.“

Caritas sind Menschen, die sich einsetzen

Zum Abschluss des Festaktes im Münster bezog sich Vorstand Frank Barrois nochmals auf die Benennung von Gertrud Luckner: „Sie zeigt: Caritas sind Menschen, die sich einsetzen. Wir feiern heute ein großes Fest mit allen, die zu uns gehören und die mit uns gemeinsam an einer inklusiven Gesellschaft arbeiten.“

Er begrüßte all die Menschen in den Einrichtungen, die an den Bildschirmen den Festakt verfolgen konnten und die nun im Anschluss ein gutes gemeinsames Mittagessen serviert bekamen. „Wir leben zusammen, wir arbeiten zusammen und heute feiern wir zusammen.“

Beisammensein bei Musik, gutem Essen und Unterhaltung

Im Anschluss strömten die Versammelten hinaus auf den Münsterplatz, wo vor der großen Bühne die Stühle beiseite geräumt wurden. Denn nach all den Worten stand nun das Feiern im Mittelpunkt. Zunächst heizten „El Flecha Negra“ mit ihrer unverwechselbaren Mischung aus Cumbia, Reggae und lateinamerikanischen Klängen dem Publikum ein. Die Musiker kommen aus vier Ländern, über zwei Kontinente verteilt. Getanzt wurde mit und ohne Rollstuhl und auch die Menschen, die in Gespräche vertieft waren, konnten sich zumindest ein Wippen mit den Fußspitzen kaum verkneifen.

Zahlreiche Marktstände und Gasthäuser am Münsterplatz beteiligten sich am Festakt und versorgten die über 3.000 Gäste mit Essen und Getränken. An Ständen gab es Informationen über die Dienste und Einrichtungen des Caritasverbandes Freiburg-Stadt und viele Mitmachangebote, wie Schminken für Kinder und Erwachsene, Herbstkränze basteln mit der Tagesgruppe von Haus Konrad oder eine Fotobox der Abteilung Alter und Soziale Dienste, wo sich Interessierte im Stil der 20er Jahre verkleiden, Fotos aufnehmen und direkt im Design der 100-Jahr-Feier eine ganz persönliche Andenkenkarte ausdrucken konnten. Ein breites Spektrum der Produkte aus den Werkstätten für Menschen mit Behinderung oder psychischer Erkrankung stand gleich nebenan zum Verkauf.

Einer gemeinsamen Aktion mit angeleiteter Body-Percussion auf der großen Bühne folgte eine kurze Ansprache der Vorstände Rainer Gantert und Frank Barrois, die einen weiteren Höhepunkt des Tages ankündigten: eine Rezitation von Texten auf Deutsch und Hebräisch durch den Kantor der Israelitische Gemeinde Freiburg, Moshe Hayoun. Er sang von der Goldenen Stadt Jerusalem und trug anlässlich des bevorstehenden Jom-Kippur-Festes die Israelische Nationalhymne vor.

Anschließend trat mit „Äl Jawala“ eine weitere Band auf, die es versteht, ihr Publikum in Bewegung zu bringen. Der Name stammt aus dem Arabischen und bedeutet sinngemäß „die Reisenden“, „die Wanderer“, „Fahrendes Volk“. Das Freiburger Quartett brachte mit Balkan-Soul, Dance-Beat und Modern Klezmer die gesamte Menge zum Tanzen: Jung und Alt, Menschen mit und ohne Behinderung, Mitarbeitende der Einrichtungen und die ihnen Anvertrauten gemeinsam, inklusiv und mit mächtig Feierlaune.

Menschlich, begleitend, beherzt, mutig, zugewandt

Zum Abschluss der 100-Jahr-Feier konnten Interessierte besinnlich werden und bei einer Entdeckungs-Tour im Freiburger Münster die Werte der Caritas an fünf Stationen erleben. „Menschlich“ war das Thema der ersten Station gleich am Eingangsportal des Münsters. Die dort versammelten Heiligen tragen keine Heiligenscheine, sondern kleine Münstertürmchen über ihren Köpfen. Diese symbolisieren, dass sie alle Bürgerinnen und Bürger der himmlischen Stadt sind. Dies ist zutiefst menschlich, ebenso wie die oberhalb des Portals dargestellte Geburt Jesu Christi, seiner Menschwerdung.

„Begleitend“ sind die 12 Apostel, die im Mittelgang an den Säulen zu beiden Seiten zu finden sind. Sie bilden die Säulen der Kirche und haben Jesus begleitet. Besonders im Freiburger Münster ist, dass ganz vorne am Altar Jesus und der Ungläubige Thomas einander gegenüberstehen. Die in jedem Gottesdienst gefeierte Eucharistie ist ein Akt des Glaubens, dass Brot und Wein zu Fleisch und Blut werden.

Oberhalb des südlichen Portals zeigt das Fenster der Familie Tulenhaupt Szenen aus dem Leben des Heiligen Nikolaus von Lyra. In seinen vielen Werken hat er „beherzt“ zugepackt und gehandelt. Die Bilder zeigen ihn als Beschützer und Retter der Seefahrer, Kaufleute, Schüler und armen Frauen.

„Mutig“ war die Heilige Katharina, der das von der Bäckerinnung gestiftete Fenster an der Nordseite gewidmet ist. Sie stand mutig ein für ihre Werte und ihren Glauben, weigerte sich das Götzenbild des römischen Kaiser Maxentius anzubeten und erlitt daher den Märtyrertod. Sie ist die Schutzherrin der Schülerinnen und Schüler, der Lehrkräfte sowie der Geisteswissenschaften.

Die fünfte Station „Zugewandt“ befand sich schließlich am Barmherzigkeitsfenster. Die Bilder zeigen die sechs Werke der Barmherzigkeit und sind auf die gegenseitige Zugewandtheit der Figuren im Geben und Nehmen fokussiert.

Alle Stationen wurden von Mitarbeitenden vom c-punkt Freiburg der Ökumenischen Cityseelsorge liebevoll und fachkundig präsentiert. Eine Erfahrung, die den Festtag abrundete und nochmals erfahrbar machte, wofür der Caritasverband Freiburg-Stadt steht: für den Dienst am Menschen und das seit einem Jahrhundert.

Redaktion
Karin Jehle, Freie Redakteurin

Fotos
Raphael Pietsch, RAP-Media